Rondenbarg-Prozess – Sechseinhalb Jahre nach dem G20-Gipfel

Sechseinhalb Jahre nach dem G20-Gipfel in Hamburg hat die Staatsanwaltschaft immer noch einen starken Verfolgungswillen und wünscht sich Haftstrafen – für das Mitlaufen auf einer Demonstration, bei der es zu massiver Polizeigewalt und zahlreichen Verletzten kam. Im sogenannten Rondenbarg-Verfahren beginnt der Prozess gegen sechs Betroffene am 18. Januar 2024 in Hamburg und soll bis in den August andauern. Eine Verurteilung würde eine Einschränkung des Demonstrationsrechts bedeuten.

Justiz greift Versammlungsfreiheit an: Auftakt im Rondenbarg-Prozess

Der G20-Gipfel in Hamburg liegt inzwischen mehr als sechseinhalb Jahre zurück, aber die Repression geht weiter: Am 18. Januar 2024 beginnt der Prozess gegen sechs Gipfelgegner*innen, denen die Teilnahme an der Demonstration im Straßenzug Rondenbarg vorgeworfen wird. Damit gehen die Verfahren im sog. Rondenbarg-Komplex in die dritte Runde, nachdem zwei frühere Prozesse in Hamburg bereits ergebnislos abgebrochen wurden.

Für die sechs Angeklagten, die aus dem gesamten Bundesgebiet kommen, stellt die monatelange Verhandlung eine extreme Belastung dar: Es drohen Haftstrafen und hinzu kommen die häufigen Fahrten nach Hamburg, die einen geordneten Arbeits- oder Ausbildungsalltag undenkbar machen. Bisher sind 25 Verhandlungstage bis August angesetzt, die mit Solidaritätskundgebungen vor dem Gericht begleitet werden. Am 20. Januar 2024 findet zudem eine bundesweite Demonstration der Solidaritätskampagne „Gemeinschaftlicher Widerstand“ statt.

Hintergrund des Prozesses ist ein Demonstrationszug mit rund 200 Teilnehmer*innen, der am Morgen des 7. Juli 2017 auf dem Weg zu Blockadeaktionen war. In der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld griff eine BFE-Einheit die Versammlung ohne Vorwarnung an, wobei zahlreiche Aktivist*innen teilweise schwer verletzt wurden. Im Nachgang wurden keine Polizeibeamt*innen für die brutale Auflösung der Demonstration belangt, aber über 80 angegriffene Gipfelgegner*innen angeklagt.

In der Anklageschrift sind die Vorwürfe schwerer gemeinschaftlicher Landfriedensbruch in Tateinheit mit tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte in besonders schwerem Fall, versuchte gefährliche Körperverletzung, die Bildung bewaffneter Gruppen und Sachbeschädigung aufgeführt. Nichts davon wird den Angeklagten individuell vorgeworfen, sondern es werden pauschal alle Demonstrant*innen beschuldigt. Indem eine angebliche „gemeinschaftliche Tat“ konstruiert wird, soll die Reform des Landfriedensbruch-Paragrafen (§ 125 StGB) wieder rückgängig gemacht werden: Seit 1970 muss bei diesem Vorwurf eine eigenständige Tatbeteiligung nachgewiesen werden und die bloße Anwesenheit reicht nicht mehr aus.

Im Nachgang des G20 plant die Justiz somit einen Frontalangriff auf die Versammlungsfreiheit. Bereits in einem früheren Prozess gegen Gipfelgegner*innen war das Konstrukt der „psychischen Beihilfe“ bemüht worden und im Rondenbarg-Komplex wird dadurch das Grundrecht noch weiter ausgehöhlt werden.

„Der Rondenbarg-Prozess ist ein Paradebeispiel politischer Justiz: Statt den äußerst brutalen Polizeieinsatz zu verfolgen, der elf Schwer- und Dutzende weitere Verletzte forderte, stehen die Angegriffenen vor Gericht“, erklärte Anja Sommerfeld vom Bundesvorstand der Roten Hilfe e. V. „Mit dem Anklagekonstrukt sollen Versammlungen per se kriminalisiert werden. Sollte dieser Vorstoß Erfolg haben, ist künftig die bloße Teilnahme an einer Kundgebung oder Demonstration ein unkalkulierbares Risiko. Das wäre das Aus für das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit, das seit Jahren immer weiter eingeschränkt wird.“ Abschließend forderte Sommerfeld: „Wir stehen solidarisch an der Seite der Angeklagten. Die Verfahren gegen G20-Gegner*innen müssen umgehend eingestellt werden. Wir rufen dazu auf, den Prozess solidarisch zu begleiten und sich an der Solidaritätskampagne zu beteiligen.“

Neuer G20-Prozess in Hamburg: Demokratische Grundrechte und Versammlungsfreiheit verteidigen!

Am 18. Januar beginnt vor dem Hamburger Landgericht erneut ein Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den G20-Protesten 2017. Mehr als sechs Jahre danach wird der Prozess gegen Teilnehmende einer G20-kritischen Demonstration eröffnet, die in der Straße „Rondenbarg“ in Hamburg von einer Sondereinheit der Polizei eingekesselt und aufgelöst wurde. Dabei wurden elf Demonstrierende schwer verletzt, kein Beamter kam zu Schaden. Angesetzt sind 25 Prozesstage gegen junge Kolleg:innen aus dem ganzen Bundesgebiet, die aus ihrem Arbeitsalltag und Privatleben gerissen werden.

Keinem der sechs Angeklagten wird eine individuelle Tat vorgeworfen: Wegen bloßer Anwesenheit sollen Demonstrierende, darunter Mitglieder des damaligen Bonner Jugendvorstands der ver.di und eine IGM-Vertrauensfrau, zu Haftstrafen verurteilt werden. Dieses Vorgehen der Staatsanswaltschaft würde dazu führen, Kollektivstrafen gegen Demonstrierende zunehmend als Standard zu etablieren. Das ist ein massiver Angriff gegen die Demonstrationsfreiheit und unsere Grundrechte!

Wir rufen daher dazu auf „Demokratische Grundrechte und Versammlungsfreiheit verteidigen! G20-Prozesse einstellen!“