Ⓐnarchie und Liebe ?
Auch in so einer seicht wirkenden Sache wie der Liebe steckt eine gehörige Prise
Herrschaft. Sogar fast staatlich angeordnet.
Liebe wird in unserer Gesellschaft gern mit der ‚Ehe‘ abgesegnet, offiziell zertifiziert und
als Krönung der Liebe gibt’s dann oft ein daraus (oder darin) entstandenes Kind. Diese
abgesegnete Liebe bildet unter anderem einen der elementarsten Bausteine zum Erhalt
des Patriarchats.
Alles streng heteronormativ und als Modell in unserer Gesellschaft bis in die letzte Ecke
verankert. Die Familie als ‚Nachweis‘, Liebe zu verbildlichen.
An das Idealbild, wie es ‚richtig‘ ist, sollen sich möglichst alle halten. Alles außerhalb der
Regeln ist merkwürdig, gehört sich nicht oder gilt sogar als falsch.
(hierbei sei angemerkt, dass es vollkommen legitim ist, wenn Menschen sich in einer
heteronormativen Beziehung wohl fühlen, wenn es dann selbst gewählt und frei
empfunden ist)
Liebe ohne einen gesellschaftlich anerkannten Stempel wird in der Regel negativ
konnotiert. Der Begriff „wilde Ehe“ ist da verhältnismäßig harmlos. Liebe ohne Ehe oder
einem ähnlichen festen Konstrukt als Überbau, wird entweder gar nicht erst ernst
genommen oder abfällig betrachtet.
Bei männlich gelesenen Personen, die sich nicht im vorgegebenen Zeitfenster mit dem
‚entsprechenden Gegenstück‘ ausstatten, werden ‚krankhafte Neigung‘ oder andere
diskriminierende ‚Abweichungen‘ vermutet. Bei weiblich gelesenen Menschen, Frigidität
oder sonstige Unverschämtheiten unterstellt.
Liebe ist nur ‚richtig‘ wenn sie in eine ‚ordentliche‘ Struktur namens Ehe mündet. Dies wird
vom Staat gefördert. Unzählige Alltagssituationen sind genau auf diese Konstellationen
ausgerichtet.
Beispiele:
▫️ Wohnungen und Hausaufteilungen sind meist auf ‚Ehepartner‘ inkl. der dazugehörigen
Kinder ausgerichtet.
▫️ Steuervorteile für monogame und heteronormative Ehekonstellationen mit
zugrundeliegender binärer Geschlechterordnung.
▫️ Adoptionen oder ein schlichtes Besuchs-, und Informationsrecht im Krankenhaus.
Doch zur Liebe gehört doch so viel mehr als nur die ‚praktischen‘ Umstände die mit
stinkender Farbe konservativ angepinselt sind. Die Emotion nämlich.
Liebe, wie sie in unserer Gesellschaft gekannt wird, ist nie so richtig frei. Sie bekommt
immer einen ‚Namen‘ oder eine ‚Kategorie‘. Wird in irgendeiner Form restringiert und
gegängelt, als Teil eines komplexen Systems, in dem Liebe als eins der ‚Goodies‘ im Leben
herangezogen wird, aber eigentlich nichts weiter als eine weitere starre Stange im Korsett
des Systems ist.
Erzählt wird den Menschen, es gibt eine einzig wahre Liebe. Es gibt die eine große Liebe.
Diese gilt es zu finden und sich dann auf ewig zu binden. Am besten schnell und ohnegroße Umwege. Ist man dann verheiratet, ist man ‚vom Markt‘. Aussagekräftiger könnte
diese Lebenssituation nicht bezeichnet werden.
Und dennoch erscheint es doch sehr unrealistisch, eine einzige Person über die gesamte
eigene Lebenszeit zu lieben, lieben zu können, oder zu wollen. Zudem liegt dies oft nicht
einmal in der eigenen Hand, … den Hormonen oder dem Herzen?
Nicht nur durch das gesellschaftliche, sondern zudem noch dem religiösen Korsett,
kommen viele weitere Regeln hinzu wie Liebe gelebt werden: darf, soll, muss.
Die Absurdität nimmt weiter zu, wenn die Liebe dann einen der geltenden Namen zugeteilt
bekommen hat. Ist Mensch in einer ‚Beziehung‘, dann bitte immer fest und nur als
Zweierbeziehung. Einmal eingeordnet ist auch das böse Wort ‚fremdgehen‘ nicht weit.
Wird dies in Zweierbeziehungen Thema, dann ist Mensch gescheitert. Doch ‚Fremdgehen‘
kann Mensch ja aber auch eh nur, wenn vorher Besitzansprüche festgelegt wurden. Wie
kann es sein, dass Menschen sich gegenseitig ‚gehören‘ sollen?
Die jetzige Gesellschaft fordert, dass Mensch seine Liebe festlegt. Der Idealfall:
heteronormativ, monogam und statisch.
Natürlich gibt es dann noch die ‚Exoten‘. Die, die polyamor leben oder auch das Konzept
der offenen Beziehungen realisiert haben. Jedoch auch diese Beziehungsformen haben
nicht selten starre Regeln. Die aus Besitzansprüchen geboren werden, in Regeln münden
und das unzähmbare Ding namens Liebe umranden sollen.
Aber eins steht doch fest: Liebe braucht sich nicht auf. Liebe kann mit vielen geteilt
werden.
Manchmal wird sie vielleicht weniger, manchmal mehr. Das Leben ist lang.
Nur weil Liebe mit dem Stempel ‚Ehe‘ oder ‚Beziehung‘ versehen ist, bleibt sie keinesfalls
davon unberührt sich zu verändern, zu verblassen oder in andere Richtungen zu
empfinden. Dies verursacht dann nicht nur großen emotionalen Schmerz, sondern vor
allem auch Verlustängste und insbesondere die ‚Besitzansprüche‘ in Partnerschaften
betreffend, ist dies der ideale Nährboden für Femizide.
Liebe und Besitz gehören einfach nicht zusammen. Niemals und in keiner Form.
Liebe und Anarchie dann aber doch schon viel mehr 🙂
Denn Liebe ist frei. Liebe kann eine Gestalt haben, sich nach etwas bestimmten
anfühlen. Jedoch kann sie doch nie festgehalten oder forciert werden.
Liebe ist, genau wie Freundschaft, keine begrenzte Ressource. Ist selten statisch und
muss auch nicht zwischen nur zwei Menschen stattfinden.
Lassen wir uns darauf ein, lernen wir emotionale Freiheit kennen, die nicht geprägt ist von
beschissenen Herrschaftsvorgaben, von Traditionen, herkömmlichen Werten & Normen.
Stattdessen gewinnen wir viel, wenn wir uns (im Konsens) auf neue Pfade begeben
können.
Romantisch oder freundschaftlich. Sexuell oder platonisch. All das kann Grund sein, warum
Menschen eine zeitlang oder auch lebenslang zusammen, ein Stück oder mehrere Stücke,
Lebensweg gemeinsam gehen.Farbenfrohes Verliebtsein, tiefe freundschaftliche Liebe, sexuelle Anziehung oder aber
auch eine vollkommene Kongruenz zweier (oder mehrerer) Menschen, deren ‚Sein‘ und
Geist nicht nur eine starke Verbindung bildet, sondern Liebe, ganz ohne körperliche
Interaktion.
Liebe beruht nicht immer auf Gegenseitigkeit und kann auch dann doch Dinge bewegen.
Manchmal ist Liebe auch einfach ein Gefühl der Verantwortung dem, der oder den anderen
gegenüber.
Als eine durch starke körperliche oder geistige Anziehung in Erscheinung tretende Emotion
verändert sich die Liebe stetig.
Durch einen selber und durch das sich verändernde Umfeld.
Somit ist es nur logisch, dass sich auch Liebesbeziehungen ändern.
Sich umeinander sorgen oder vielleicht auch sich gegenseitig versorgen. Aufeinander
aufpassen, sich gegenseitig stärken und Banden bilden in denen keine Vorgaben Pflicht
sind, sondern einfach die gegenseitige Liebe der Motor ist, die Welt zu einem Ort zu
machen, auf dem es für alle Lebewesen lebenswert ist, zu sein. Herrschaftsfrei, gewaltfrei,
gemeinschaftlich und autonom zugleich.
Liebe hat vielerlei Gestalt und ist viel zu ungestüm um nicht anarchistisch zu sein.
Liebe ist und bleibt frei. Daran lässt sich auch durch das aufstellen von Regeln nichts
ändern.
Liebe kann nicht dominiert werden und in vorgefertigte Strukturen gepresst werden. Damit
geht ihr Zauber, ihre Elektrizität und diese unbändige Kraft verloren, die sie auslösen kann.
Verschüttet sie unter Normen und Werten.
❥ Liebe ist Anarchie.
❥ … und Anarchie ist Liebe